Jedes vierte Kind im Alter von 10 bis 17 Jahren leidet in Deutschland an Depressionen und Angststörungen. Fast 30% aller Kinder und Jugendlichen litten 2017 unter psychischen und Verhaltensstörungen, die mindestens einmal ärztlich behandelt werden mussten. Immer mehr Jugendliche sind ausgebrannt, bevor sie überhaupt in die Arbeitswelt starten können, wie eine weitere Studie zeigt. Als Ursachen nennt die Studie zu hohen Leistungsdruck durch Schule und/oder Eltern, digitale Reizüberflutung, Mobbing in sozialen Netzwerken sowie Versagensängste. Folgen sind Erschöpfung, Ratlosigkeit, Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung bis hin zu Selbstverletzung, Substanzkonsum oder sogar Suizid-Gedanken.
Die Depressionshäufigkeit ist innerhalb von zwei Jahren (2019 - 2021) um 23% gestiegen. Depressionen und Angststörungen zählen nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den schwerwiegendsten Leiden in der Gruppe der psychischen Erkrankungen. Laut Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit treten beide Diagnosen häufig parallel auf. So hat fast ein Viertel (24 Prozent) aller depressiven Mädchen zusätzlich eine Angststörung. Bei Jungen sind es 17 Prozent.
Depressionen sind gekennzeichnet durch Niedergeschlagenheit, Traurigkeit und Interessenverlust. Bei schweren depressiven Episoden haben die jungen Patienten Schwierigkeiten, ihre alltäglichen Aktivitäten fortzusetzen. Sie ziehen sich stark zurück, schaffen es kaum noch, in die Schule zu gehen. Bei Angststörungen ist der natürliche Angstmechanismus des Menschen aus den Fugen geraten. Die Betroffenen zeigen Reaktionen, die der jeweiligen Situation nicht angemessen sind und losgelöst von einer realen äußeren Gefährdung ablaufen. (Quelle: Kinder- und Jugendreport der DAK Gesundheit)
Wir finden diese Zahlen ziemlich alarmierend. Und deshalb stellen wir diese einfache Frage mal in den Raum:
Was machen wir denn mit unseren Kindern?
Was soll denn aus ihnen und unserer Welt werden, wenn Jugendliche mit 17 schon ausgebrannt sind? Mit 17 muss man Schmetterlinge im Bauch haben. Mit 17 muss man Lust auf das Leben haben und nicht darauf es zu beenden. Was sind wir denn für Vorbilder? Brauchen unsere Kinder und Jugendlichen denn wirklich soviel Information in immer kürzerer Zeit? Oder brauchen Sie vielleicht einfach mal Ruhe. Ruhe, um in Ruhe wachsen und gedeihen zu können. Ruhe für Empathie. Ruhe, um in Ruhe Mensch zu sein. Und vor allem Ruhe, um in Ruhe menschlich zu werden.
Es liegt an uns Erwachsenen, was wir aus diesen Tatsachen machen. Ich habe keine Lösung. Vielleicht könnten wir aber einmal darüber nachdenken, dass dieses ganze Wissen, das wir im Laufe der Jahrzehnte erworben haben, niemanden daran gehindert hat, einen völlig bescheuerten Krieg zu führen. Das trotz dieses ganzen Wissens immer noch 736 Millionen Menschen in extremer Armut leben, während wir hier allein in Deutschland in jedem Supermarkt des Landes täglich 45 kg Lebensmittel in den Müll werfen, obwohl sie noch essbar wären. Dass trotz unseres großartigen Wissens noch immer 5 Millionen Kinder durch Umweltverschmutzung und Gesundheitsschädigung sterben. Und dass, obwohl wir alle soviel lernen und soviel wissen, immer noch 785 Millionen Menschen keine Trinkwasserversorgung haben, das Klima sich weiter erwärmt, Arten bedroht sind und alle 2,5 Sekunden tropischer Regenwald von der Größe eines Fußballfeldes verschwindet.
Wenn das ganze Wissen uns hierher gebracht hat, vielleicht versuchen wir es mal mit Bildung, Herzensbildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung. Und Ruhe... Das Gras wächst nämlich auch nicht schneller, wenn man daran zieht.
Ich schließe den Beitrag mit einem Zitat von Roger Willemsen, aus seinem letzten Buch "Wer wir waren":
»Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Informationen, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung. So gingen wir, von uns selbst nicht aufgehalten.«
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ivonne Lesser-Fuchs
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